Entwicklungsetappen im Gewichtheben
Der langfristige Leistungsaufbau im Gewichtheben erfordert ein mehrjähriges, systematisches Training über 10 bis 12 Jahre vom Kindes- bis ins Erwachsenenalter (Sandau & Lippmann, 2015). Für einen erfolgreichen, langfristigen Leistungsaufbau ist das Durchlaufen der einzelnen Entwicklungsabschnitte mit den dazugehörigen Ausbildungsinhalten zwingend notwendig (Lippmann & Pagels, 1993; Sandau & Kurch, 2019). Die Inhalte in den einzelnen Etappen orientieren sich an der biologischen Entwicklung der Sportler und dem Modell der „sensiblen Phasen“ (Martin et al., 1999). In dem Model werden günstige Zeitfenster in der biologischen Reifung zur Ausbildung bestimmter Leistungsfaktoren beschrieben (Ford et al., 2011). Ziel des systematischen Leistungsaufbaus ist das Erreichen höchster sportlicher Leistungen. Ca. 95 Prozent der maximalen Wettkampfleistung werden mit dem 23. Lebensjahr erreicht, weshalb ab diesem Zeitpunkt vom Hochleistungsalter gesprochen wird (Sandau & Grabsch, 2012). Nach Sandau (2017) wird mit ca. 28 Jahren die höchste Leistungsfähigkeit erreicht (Höchstleistungsalter).
Im LLA des Gewichthebens werden 5 Etappen unterschieden: die Grundausbildung Teil 1 und Teil 2, das Grundlagentraining, das Aufbautraining, das Anschlusstraining sowie das Hochleistungstraining. In der sportlichen Praxis sind die Übergänge zwischen den Ausbildungsetappen häufig fließend und somit ist eine strenge Trennung nur theoretischer Natur. Die Zuordnung des Sportlers in die jeweilige Etappe ist abhängig vom Trainingseinstiegsalter ins Gewichtheben. Bei einem späteren Beginn des Trainings sollten die Inhalte der einzelnen Ausbildungsetappen zeitlich gestrafft absolviert werden (Lippmann & Pagels, 1993). In der Abbildung sind die Entwicklungsetappen sowie die dazugehörigen Schwerpunkte (Training, Karriere, Persönlichkeit, Kenntnisse) grafisch dargestellt.
Der langfristige Leistungsaufbau im Gewichtheben beginnt mit einer vielseitigen sportartübergreifenden Grundausbildung und gliedert sich in einen allgemeinen und einen speziellen Ausbildungsteil. Die allgemeine Grundausbildung, welche der sportartspezifischen Ausbildung vorangestellt ist, bildet die erste Entwicklungsetappe und beginnt mit dem 7. Lebensjahr. Diese Etappe stellt eine tragende Säule einer perspektivisch ausgerichteten Leistungsentwicklung der Kinder und Jugendlichen dar (Caruso, 2005). Im Alter von zehn bis zwölf Jahren erfolgt der Übergang zur sportartspezifischen Ausbildung im Gewichtheben. Ziel der Grundausbildung ist die Entwicklung von koordinativen Fähigkeiten sowie die Vermittlung und Festigung der sportlichen Technik im Gewichtheben (Sandau & Kurch, 2019).
Das Training vor der Pubertät (präpubertär) sollte sich aus physiologischer Sicht vorrangig auf die Entwicklung von neuronalen Anpassungen konzentrieren. Trainingsschwerpunkte liegen in der Entwicklung der Schnelligkeit, der allgemeinen und sportartspezifischen Bewegungsfertigkeiten sowie der Beweglichkeit. Das Training nach der Pubertät (postpubertär) sollte stärker auf strukturelle Anpassungen im Muskel ausgerichtet sein, um größere Entwicklungen im Bereich der Kraft- und Ausdauerfähigkeit zu erzielen (Lloyd & Oliver, 2012; Büsch et al., 2017). Die einzelnen Leistungsfaktoren können jedoch nicht nur in einem bestimmten biologischen Alter trainiert werden, sondern sind über die gesamte Lebensspanne mit einem unterschiedlichen Entwicklungspotential trainierbar. Zu beachten sind die Trainingsmethoden, welche in den jeweiligen Etappen verwendet werden. Kraftfähigkeiten sind aufgrund ihrer multifaktoriellen Grundlage (neuronale und strukturelle Faktoren) in allen Ausbildungsstufen gut trainierbar (Büsch et al., 2017). In Abhängigkeit des biologischen Entwicklungsstandes müssen sich die Trainingsmethoden zur Ausbildung der Kraftfähigkeiten unterscheiden (Trainingsmethoden zur strukturellen Anpassung vs. Trainingsmethoden zur neuronalen Anpassung).
Im Übergang von der Grundausbildung zum Grundlagentraining lässt sich das Technikerwerbstraining einordnen. Das Niveau der späteren sportlichen Leistung wird in diesem Trainingsabschnitt gelegt (Güntzel, 1976; Faigenbaum & Polakowski, 1999). Das Grundlagentraining umfasst einen Zeitraum von zwei Jahren und beginnt in der Altersklasse 14 und bildet die zweite Entwicklungsetappe im langfristigen Leistungsaufbau. Der fließende Übergang vom Technikerwerbstraining zum Technikanwendungstraining erfolgt, wenn der Sporter die speziellen Trainingsübungen des Gewichthebens zunehmend effektiver ausführen kann. Mit dem Ende des Grundlagentrainings beginnt das Technikanwendungstraining und bleibt danach ein fester Bestandteil bis zum Ende der sportlichen Laufbahn. Vor der Pubertät (Grundausbildung und Grundlagentraining) können die spezielle Schnell- und Maximalkraft durch Technik- und Schnellkrafttrainingsmethoden (geringe bis mittlere Lasten, schnelle und genaue Bewegungsausführung) in Verbindung mit speziellen TÜ gesteigert werden. Die dritte Entwicklungsetappe im langfristigen Leistungsaufbau bildet das Aufbautraining im Alter von 16 bis 17 Jahren. Trainingsschwerpunkte liegen in der Vervollkommnung der Wettkampf- und Trainingsübungen sowie in der Steigerung der speziellen Schnell- und Maximalkraft. Die sich anschließende dreijährige Etappe des Anschlusstrainings beginnt im Alter von 18 Jahren. Ab dem 21. Lebensjahr beginnt das Hochleistungstraining im Gewichtheben. Neben der technischen Vervollkommnung der Wettkampf- und Trainingsübungen erfolgt eine Steigerung des speziellen Maximal- und Schnellkraftvermögens mithilfe von Spezialübungen aus den Komplexen K3 bis K6.