Allgemeine Grundausbildung Teil 1 Teamentwicklung

Der langfristige Leistungsaufbau umfasst einen großen Lebensabschnitt des Sportlers. Mit dem Gewichtheben in Kontakt kommen Kinder im günstigsten Falle bereits im Alter von sechs Jahren, durch die Inhalte und Methoden der „Athletikschule 1“. Aufgrund des im Gewichtheben gängigen Höchstleistungsalters zwischen 25 und 30 Jahren ergibt sich so ein Zeitraum von ca. 20 Jahren, während dem sich der Lebensmittelpunkt des Sportlers auf die Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit konzentriert. Sind die ersten Erfahrungen mit dem organisierten Sport noch spielerisch, so ändert sich dies mit steigenden leistungssportlichen Ambitionen. Der Sport beginnt eine zentrale Rolle im Leben des Sportlers einzunehmen (Siegenthaler & Gonzalez, 1997; Barker-Ruchti et al., 2016). Die Gefahr der Instrumentalisierung von Sportlern durch Trainer und Funktionäre, durch ihr Streben nach vorhersagbaren und messbaren Ergebnissen bewirkt die Entpersonalisierung der Sportler und erschwert die adäquate Persönlichkeitsentwicklung durch fehlende Lernmöglichkeiten zusätzlich (Barker-Ruchti et al., 2016). Das System des Leistungssports stellt folglich eine Einschränkung für die Persönlichkeitsentwicklung der Sportler dar. Fehlende Lernmöglichkeiten, Instrumentalisierung sowie die geläufige autoritäre Trainer-Athlet-Beziehung sind einige der Gründe hierfür. Jedoch können sie durch den Trainer und sein Verhalten aktiv beeinflusst werden. Vor allem der bewusste Einsatz von Methoden zur Förderung psychosozialer Ressourcen erweist sich als äußerst bereichernd. Diesen muss auch bei der im Leistungssport gängigen hohen Trainingsdichte ausreichend Zeit eingeräumt werden (Muche et al., 2018).

In Individualsportarten, vor allem wenn sie wie es im Gewichtheben nicht selten der Fall ist, aus sehr kleinen Trainingsgruppen bestehen, muss der Persönlichkeitsentwicklung besondere Aufmerksamkeit zukommen. Sport bietet grundsätzlich vielfältige Möglichkeiten des Erwerbs psychosozialer Ressourcen, doch erwiesenermaßen geschieht dies nicht automatisch durch die bloße Ausübung (Schmidt et al., 2006; Muche et al., 2018; Super et al., 2018). Es bedarf also auch hier eines gezielten Einsatzes von „Trainingsmethoden“. Das körperliche Training dient dazu, den Sportler auf die körperlichen Anforderungen des Wettkampfes vorzubereiten. Ebenso muss es sich mit dem Training der psychosozialen Ressourcen verhalten, denn auch auf dieser Ebene stellt der Wettkampf spezifische Anforderungen an den Sportler. Wird der Sportler den Anforderungen nicht gerecht und gelingt es ihm nicht, diese zu bewältigen, kann keine sportliche Leistung zustande kommen. Es gilt also, den Sportler umfassend durch adäquates Training psychisch und physisch vorzubereiten. Doch auch über das Trainings- und Wettkampfgeschehen hinaus sind psychosoziale Ressourcen entscheidend. Auch der Alltag stellt psychosoziale Anforderungen an den Sportler, die er bewältigen muss. Sport stellt dabei eine Möglichkeit dar, spielerisch ihren Erwerb zu fördern und zu festigen (Muche et al., 2018; Super et al., 2018). So kann der Sportler durch bewegungsorientierte Methoden lernen, für sich und seine Interessen einzustehen, Konflikte einzugehen und sie konstruktiv zu lösen. Darüber hinaus lernt der Sportler, Situationen und Sichtweisen anderer einzunehmen, zu verstehen und sie in seine Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen (Muche et al., 2018).

Zusammengefasst betrachtet ergibt sich folgendes Bild: Der leistungssportliche Alltag bietet zunächst wenig Raum und Gelegenheiten für den Sportler, damit dieser sich adäquat in seiner Persönlichkeit entwickeln kann. Die Gefahr seiner Instrumentalisierung durch Trainer und Funktionäre verstärkt diese Einschränkungen ebenso wie die klassischen und häufig anzutreffenden autoritär gekennzeichneten Trainer-Athlet-Beziehungen. Gleichzeitig jedoch bietet Sport vielfältige Möglichkeiten des Lernens. Der Trainer vermag nicht nur durch die Auswahl seiner Methoden die Persönlichkeitsentwicklung zu steuern, sondern ebenso durch die Art und Weise seiner Identifikation mit der Trainerrolle (Nash et al., 2008; Lafrenière et al., 2011; Hodge & Lonsdale, 2016). Durch bewusstes Schaffen von Lernsituationen in einer Atmosphäre des sozialen Wohlbefindens und das bewusste Verständnis seiner Vorbildrolle für die Sportler kann er Lernsituationen inszenieren, aufgreifen und thematisieren, die eine Förderung der psychosozialen Ressourcen bewirken (Muche et al., 2018). Aufgrund der zunehmenden Sicherheit in der Trainingspraxis erfahrener Trainer sind sie in der Lage, den Fokus über die Trainingsmethodik hinaus zu erweitern (Nash et al., 2008).

Der Leistungssport stellt sportartspezifische Anforderungen an den Sportler, die es im Streben nach Erfolg zu bewältigen gilt. Anforderungsprofile und Leistungsstrukturmodelle dienen dabei einer detaillierten Aufschlüsselung jener Faktoren, die die sportartspezifische Leistung determinieren. Vor allem in vergangenen Zeiten wurde im Gewichtheben hauptsächlich den physischen Voraussetzungen und Anforderungen Beachtung geschenkt. Die sportliche Leistung des Gewichthebens ist zu einem sehr hohen Grad von der Maximal- und Schnellkraftfähigkeit des Sportlers abhängig (Sandau, 2017). Den psychischen und sozialen Leistungsanforderungen wurde bisher kaum Beachtung geschenkt (Muche et al., 2018). Im Streben nach Optimierung aller Faktoren zum Zweck weiterer Leistungssteigerung ist auch die Persönlichkeit des Sportlers in den Fokus gerückt. Metaanalysen ergaben, dass schon einzelne Interventionen die Leistungsfähigkeit des Sportlers positiv zu beeinflussen vermögen. Den größten Effekt hatten jene Maßnahmen, die gleichermaßen psychische und soziale Aspekte betrafen, also die Sportler in ihrem Handeln und Denken zu verändern ersuchten (Brown & Fletcher, 2016). Noch mehr trägt die gezielte Anwendung persönlichkeitsfördernder Aspekte zu einer erfolgreichen Sportlerlaufbahn bei, wenn diese schon in jungen Jahren auf spielerische Art in das Training implementiert werden und somit früh der Erwerb psychosozialer Ressourcen gefördert wird (Côté & Hancock, 2016; Schinke et al., 2018). Es wird ersichtlich, dass im Gewichtheben der Fokus neben den körperlichen Leistungsvoraussetzungen auch auf die Persönlichkeit des Sportlers und seine psychosozialen Ressourcen gelegt werden muss. Erneut kommt dem Trainer hier eine entscheidende Rolle zu, da erkannt wurde, dass Interventionen dieser Art vor allem dann am erfolgreichsten sind, wenn sie von ihm angeleitet und durchgeführt werden (Brown & Fletcher, 2016).

Um spezifisch für das Gewichtheben konkrete psychische und soziale Ressourcen herauszuarbeiten, wurden im Jahr 2018 die Ergebnisse eines Kooperationsprojektes zwischen der Deutschen Gewichtheberjugend des BVDG und der Deutschen Sportjugend in Form einer Arbeitshilfe zur Förderung der psychosozialen Ressourcen im Gewichtheben veröffentlicht (Muche et al., 2018). Diese zielt darauf ab, Trainern ein grundlegendes Verständnis ihrer Verantwortung und der Notwendigkeit einer gezielten Persönlichkeitsentwicklung junger Sportler zu vermitteln und ihnen gleichzeitig konkrete Übungs- und Handlungsempfehlungen anzubieten. Hierbei wurden zunächst in einer Analyse die vier ausschlaggebenden psychosozialen Ressourcen herausgearbeitet. Diese sind nach Muche (2018) Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, Kooperationsfähigkeit, Aufgabenzusammenhalt sowie die Konzentrationsfähigkeit (Muche et al., 2018). Letztere stellt als psychische Ressource einen entscheidenden Faktor im Gewichtheben dar und ist zwingend erforderlich um Spitzenleistungen erbringen zu können (Muche et al., 2018; Phylactou, 2019). Im Folgenden werden die genannten Ressourcen erläutert, um im Anschluss darauf aufbauend Methoden aufzuzeigen, wie diese gezielt gefördert werden können.

Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit

Nach Bandura beschreibt die Selbstwirksamkeit einer Person ihre Überzeugung zu bestimmten Leistungen aufgrund der eigenen Fähigkeiten (Bandura, 1982). Sportliche Selbstwirksamkeit bezieht sich dabei auf die Überzeugung des Sportlers, durch die eigenen Fähigkeiten bestimmte sportartspezifische Herausforderungen bewältigen und bestimmte Leistungen erbringen zu können (Besharat & Pourbohlool, 2011). Sportlich und außersportlich handelt es sich somit um die Überzeugung der eigenen Leistungsfähigkeit, auf Grundlage des eigenen Handlungsvermögens in Bezug zu gestellten Aufgaben (Muche et al., 2018). Die Selbstwirksamkeit kann über vier Wege erhöht werden: eigene Erfolgserlebnisse, stellvertretende Erfahrungen, verbale Ermutigung und Abbau emotionaler Erregung. Am stärksten haben eigene Erfolgserfahrungen Einfluss auf die Selbstwirksamkeit. Weiterhin kann die Selbstwirksamkeit durch stellvertretende Erfahrungen und verbale Überzeugung positiv beeinflusst werden (Bandura, 1982). Nach Muche (2018) stellt die Selbstwirksamkeit eine Komponente des zu „erstrebenden sportlichen Selbstbewusstseins“ dar (Muche et al., 2018). Die Selbstwirksamkeit fördert somit das Selbstvertrauen (Hooi, 2008; Besharat & Pourbohlool, 2011; Selmi et al., 2018). Wiederholte Erfolgserfahrungen stärken das Selbstvertrauen und befähigen den Sportler dazu, auch steigenden Anforderungen weiterhin zuversichtlich und voller Selbstvertrauen entgegenzutreten. Dieser Zuwachs an Selbstvertrauen sieht sich unter anderem in Vergleichen zwischen jungen und erfahrenen Athleten bestätigt, bei denen letztere über ein signifikant höheres Niveau an Selbstvertrauen verfügen (Hooi, 2008). Das Ziel hinsichtlich der psychosozialen Ressource Selbstbewusstsein besteht folglich darin, dieses progressiv über die Vermittlung wiederholter Erfolgserfahrungen zu fördern. Entscheidend sind dabei sowohl das Selbstbild des Sportlers über das Niveau seiner Fähigkeiten als auch das Niveau der zu bewältigenden Herausforderungen. Diese sollten stets so in Relation zueinanderstehen, dass sie weder zu leicht noch zu schwierig sind. Somit ist gewährleistet, dass der Sportler weder unterfordert noch überfordert wird (Muche et al., 2018).

Kooperationsfähigkeit

Kooperation umschreibt alle Formen der Zusammenarbeit, die dem Erreichen eines gemeinsamen Zieles dienen (Poggendorf & Spieler, 2003). Die Kooperationsfähigkeit stellt demnach die Fähigkeit des Einzelnen dar, sein Verhalten innerhalb der Gruppe so zu gestalten, dass es der gemeinsamen Zielerreichung dienlich ist. Um sich mit anderen Gruppenmitgliedern auseinanderzusetzen und Konflikte lösen zu können, müssen nach Muche (2018) ausreichend kommunikative und empathische Fähigkeiten zur Verfügung stehen (Batson et al., 1991; Muche et al., 2018). Gleichzeitig besteht seine Aufgabe darin, seine Fähigkeiten so in die Gruppe einzubringen, dass sie dem gemeinsamen Ziel zuträglich sind (Muche et al., 2018). Die Offenheit gegenüber den Ideen und Meinungen anderer, ein grundsätzlich kooperatives Verhalten und die Freude an gemeinsamer Zusammenarbeit sind Eigenschaften, die jene mit hoher Kooperationsfähigkeit auszeichnen (Meier, 2006; Seelheim & Witte, 2007). Als erfolgreich kann eine Kooperation dann eingestuft werden, wenn das Ziel durch die gemeinsame Arbeit erreicht und dabei eine positive soziale Beziehung aufrechterhalten wird (Kunter & Stanat, 2002). Im Sport zeichnen sich erfolgreiche Teams durch ein hohes Maß an Kooperationsfähigkeit aus und sind damit grundsätzlich erfolgreicher. Gleichzeitig bemängeln weniger erfolgreiche Teams eine nicht ausreichende Kommunikation und ungelöste Konflikte (Seelheim & Witte, 2007). Auch wenn es sich beim Gewichtheben um eine Individualsportart handelt, bei der der Sportler im Wettkampf und Training seine Ziele allein erreichen muss, so ist auch hier eine Kooperationsfähigkeit von entscheidender Bedeutung (Muche et al., 2018). Nicht nur in Liga-Wettkämpfen besteht die Notwendigkeit der Kooperation mit den Mannschaftskollegen, um den Sieg zu erlangen, auch die Konstellation der Trainingsgruppe und ihr Gefüge bedürfen der Kooperationsfähigkeit der Einzelnen (Muche et al., 2018). Die Kooperationsfähigkeit stellt darüber hinaus auch positive Effekte für die Gruppenmitglieder selbst dar. Durch Kooperation entsteht der nachfolgend erläuterte Aufgabenzusammenhalt innerhalb der Gruppe, die sich in verstärktem sozialen Rückhalt des einzelnen äußert (Rees & Hardy, 2000; Muche et al., 2018). Auch im außersportlichen Kontext befähigt die Kooperationsfähigkeit den Einzelnen dazu, sich gemeinsam mit anderen erfolgreich einer Aufgabe zu widmen und aus dem entstehenden Aufgabenzusammenhalt gesteigerten sozialen Rückhalt für sich zu gewinnen. Untersuchungen haben gezeigt, dass gerade im Kontext des Leistungssports der soziale Rückhalt einen entscheidenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Sportlers ausübt (Rees & Hardy, 2000; Rees et al., 2010, 2015). Sportler, die einen verstärkten sozialen Rückhalt empfanden, zeigten deutlich weniger negative Reaktionen auf Stressoren (z. B. verletzungsbedingte Trainingspausen, hohe Wettkampfanforderungen, Trainingsrückschritte) und waren in der Lage ungeachtet dessen, ihr Leistungspotential zu entfalten bzw. schwierige Phasen durchzustehen als Sportler, die deutlich weniger sozialen Rückhalt empfanden (Rees & Hardy, 2000; Rees et al., 2010, 2015). Nicht zuletzt vermag verbale und emotionale Unterstützung anderer, das Selbstbewusstsein durch eine Erhöhung der Selbstwirksamkeit zu steigern und damit auch die Wahrscheinlichkeit, eine Anforderung erfolgreich zu bewältigen (Rees & Hardy, 2000). Es zeigt sich, dass die Kooperationsfähigkeit ebenso wie das Selbstvertrauen einen entscheidenden Beitrag zur sportlichen und außersportlichen Leistungsfähigkeit leistet. Durch die Kooperationsfähigkeit erlangt der Sportler die Möglichkeit, sich durch die Kooperation mit anderen sozialen Rückhalt zu verschaffen und mit dem Team unter anderem über den Aufgabenzusammenhalt zusammenzuwachsen. Die Kooperationsfähigkeit ist somit eine vielschichtige Handlungskompetenz, die durch die Ausprägung ihrer kognitiven, emotionalen, sozialen und motivationalen Aspekte maßgeblich das Erreichen des Zieles beeinflusst. Die Kooperationsfähigkeit kann vor allem durch Aufgabenstellungen und Übungen gefördert werden, in denen eine gemeinsame Zusammenarbeit für den Erfolg ausschlaggebend ist und wobei die Aspekte Kommunikation, Perspektivübernahme und soziale Verantwortung im Mittelpunkt stehen (Muche et al., 2018).

Aufgabenzusammenhalt

Der Zusammenhalt einer Gruppe unterteilt sich in den sozialen sowie aufgabenbezogenen Zusammenhalt (McLaren et al., 2017; Muche et al., 2018). Vor allem der aufgabenbezogene Zusammenhalt hat sich dabei für den Sport und die sportliche Leistungsfähigkeit von Gruppen als zuträglich erwiesen (Muche et al., 2018). Der Aufgabenzusammenhalt beschreibt dabei die Einigkeit der Mitglieder einer Gruppe oder eines sportlichen Teams in Bezug auf zu bewältigende Aufgaben und Ziele (Bosselut et al., 2012). Dies ist ein dynamischer Prozess, der das Gefüge aus der Geschlossenheit der Gruppe, ihren sozialen Bedürfnissen sowie den Anforderungen der zu bewältigenden Aufgabe widerspiegelt und maßgeblich zum Erfolg der Gruppe beiträgt (Eys et al., 2009). Ein hoher Aufgabenzusammenhalt zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Mitglieder der Gruppe gegenseitig unterstützen und ergänzen und damit die Leistungsfähigkeit des Einzelnen erweitern (Muche et al., 2018). Folglich sind Gruppen mit hohem Aufgabenzusammenhalt grundsätzlich erfolgreicher als jene mit geringem Aufgabenzusammenhalt (Carron et al., 2002; Eys et al., 2009; Muche et al., 2018). Auch in Individualsportarten wie dem Gewichtheben ist der Aufgabenzusammenhalt ein integraler Bestandteil. Zum einen spielt er konkret in den Mannschaftswettkämpfen der Ligen eine Rolle, da die Mannschaft gemeinsam um den Sieg in Form von summierten Punkten der Mannschaftsmitglieder ringt (Muche et al., 2018). Aber auch im Trainingsalltag ist der Aufgabenzusammenhalt von zentraler Bedeutung. Die Übernahme von Verantwortung, gegenseitige Unterstützung sowie das Festlegen gemeinsamer Regeln und Rituale binden den Einzelnen an die Gruppe und fördern das Gemeinschaftsgefühl und den sozialen Rückhalt (Muche et al., 2018). Nicht zuletzt zeigt sich, dass Sportler, die ein hohes Maß an Aufgabenzusammenhalt innerhalb ihrer Gruppe empfinden, deutlich konstruktiver mit Wettkampfangst und Nervosität umgehen können (Eys et al., 2003). Aus verstärktem Aufgabenzusammenhalt wird dementsprechend auch die psychosoziale Ressource Selbstvertrauen bekräftigt (Julian et al., 1966). Trainer können auf den Aufgabenzusammenhalt in ihrer Trainingsgruppe oder Mannschaft maßgeblichen Einfluss nehmen und durch gezielte Interventionen diese Entwicklung fördern (Keegan et al., 2009; McLaren et al., 2015, 2017; Muche et al., 2018). Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass das Verhalten der Sportler untereinander einen entscheidenden Einfluss ausübt, vor allem in Bezug auf das Erfolgserleben (McLaren et al., 2017). Gemeinschaftliches Erfolgserleben und das Zuschreiben des Erfolgs zur Gruppe und ihren Zusammenhalt (McLaren et al., 2017) sind dabei ebenso wichtig, wie das Kommunikationsnetzwerk des Einzelnen innerhalb der Gruppe (McLaren & Spink, 2018) sowie das klare Bewusstsein der Mitglieder, über ihre Rollen und Verantwortungen in Bezug auf die Aufgabe (Eys & Carron, 2001). Kommunikationsfähigkeit und die Übernahme sozialer Verantwortung als Basiskompetenzen der Kooperationsfähigkeit sind somit Grundvoraussetzung für das Entstehen und Erleben von Aufgabenzusammenhalt in der Gruppe (Muche et al., 2018). Nicht zuletzt ist es der empfundene Aufgabenzusammenhalt, der das sportliche Erleben kennzeichnet und damit auch die emotionale Bindung an Sport ausmacht (Bosselut et al., 2012). Über die Förderung des Aufgabenzusammenhalts wird somit bewirkt, dass die Zusammenarbeit der Gruppenmitglieder gestärkt wird, sie eine gegenseitige emotionale Unterstützung erfahren, Verantwortungen wahrgenommen werden und dass sich der Einzelne über seine Rolle verstärkt mit der Gruppe und ihren Zielen identifiziert (Muche et al., 2018).

Konzentrationsfähigkeit

Konzentration und Aufmerksamkeit spielen eine entscheidende Rolle hinsichtlich der sportlichen Leistungsfähigkeit in Training und Wettkampf (Singer, 2000; Weinberg & Gould, 2014; Muraretu et al., 2018; Phylactou, 2019). Der Sportler muss in der Lage sein, seine Konzentration gezielt auf die für die Arbeit wichtigen Aspekte zu lenken (Muche et al., 2018). Konzentration meint also, den Aufmerksamkeitsfokus auf bestimmte Aspekte der Handlung zu lenken. Man unterscheidet des Weiteren zwischen dem externalen sowie dem internalen Fokus, bei dem die Aufmerksamkeit entweder auf äußere Faktoren, wie die Hantel, oder auf innere, wie beispielsweise bestimmte Gelenkwinkel in der Startposition gerichtet ist (Muche et al., 2018). Grundsätzlich stellt die Konzentrationsfähigkeit im Leistungssport eine entscheidende psychische Ressource dar. Im Gewichtheben kommt ihr darüber hinaus, aufgrund des Zeitraums von 60 Sekunden, der dem Sportler zur Absolvierung seines Versuchs bleibt, eine tragende Rolle zu. Eingehender betrachtet dauern die Konzentrationsphasen eines Gewichthebers im Wettkampf durchschnittlich 10 Sekunden (Muraretu et al., 2018). Umso entscheidender ist es, dass der Sportler innerhalb dieses Zeitraumes seine Konzentration auf die für die Aufgabe wichtigen Aspekte lenkt und auch unter störenden Einflüssen aufrechterhalten kann (Singer, 2000; Weinberg & Gould, 2014; Phylactou, 2019). Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Art des Aufmerksamkeitsfokus ebenfalls einen entscheidenden Einfluss ausübt (Wulf, 2007; MacPherson et al., 2008; Wulf & Dufek, 2009; Porter et al., 2010; Schutts et al., 2017). Ein interner Fokus auf bestimmte Teilaspekte der Bewegung hemmt demnach die Leistung. Richtet der Sportler seinen Fokus hingegen auf den Bewegungsrhythmus bzw. den Gesamtbewegungsablauf, ist die Leistungsabgabe deutlich größer (MacPherson et al., 2008; Wulf & Dufek, 2009; Porter et al., 2010). Diese Erkenntnisse heben die Bedeutung der Konzentrationsfähigkeit im Sport und speziell im Gewichtheben hervor und bedingen, dass dieser psychischen Ressource hinreichende Aufmerksamkeit geschenkt wird. Inszenierte Situationen, in denen der Sportler seine Konzentration herstellen und unter erschwerten Bedingungen aufrecht erhalten muss, sind ein geeignetes Mittel, um die Konzentrationsfähigkeit zu fördern (Muche et al., 2018). Darüber hinaus kann der Trainer durch die Art seiner Hinweise bewusst Einfluss auf den Aufmerksamkeitsfokus des Sportlers nehmen (Wulf & Dufek, 2009; Porter et al., 2010; Schutts et al., 2017). Konkret sind dies Hinweise, die sich auf das Bewegungsergebnis in Form eines harmonischen Bewegungsablaufs und des Bewegungsrhythmus beziehen (MacPherson et al., 2008; Schutts et al., 2017). Ungeachtet dessen kann es notwendig sein, Teilaspekte und technische Feinheiten des Gesamtbewegungsablaufs mit dem Ziel der Optimierung in den Fokus zu nehmen. Diese können, wenn bewusst in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gesetzt, verbessert werden. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass die anderen Aspekte des Bewegungsablaufs damit größeren Abweichungen unterliegen können (MacPherson et al., 2008). Es gilt folglich die Konzentrationsfähigkeit der Sportler gezielt zu fördern. Dies beinhaltet das Herstellen und Aufrechterhalten ebenso wie das bewusste Steuern des Fokus und das Ausblenden von störenden Einflüssen. Darüber hinaus können aus inszenierten Lernsituationen, die in einem geschützten Rahmen stattfinden, erfolgreiche Strategien entwickelt werden, die es dem Sportler ermöglichen, gezielt und bewusst Konzentration herzustellen und zu lenken (Muche et al., 2018).

Die Förderung psychosozialer Ressourcen

Wie bereits erläutert, spielt der Trainer in der Entwicklung psychosozialer Ressourcen eine entscheidende Rolle. Er ist Vorbild für die Sportler und muss, um eine erfolgreiche Förderung bewirken zu können, selbst ein gewisses Maß der zu erreichenden psychosozialen Ressourcen vorleben. Seine Offenheit, Vertrauen und Anerkennung jedem Sportler gegenüber sind dabei ebenso selbstverständlich, wie Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit und Authentizität. Nur durch das Vorleben von gemeinschaftlichen Werten kann es gelingen, dass diese auch Einzug in die Trainingsgruppe halten und den Umgang der Sportler miteinander kennzeichnen. Dabei ist der Trainer in seiner Rolle vor allem als Berater und Begleiter zuständig und bietet dem Sportler Entwicklungsfelder an, innerhalb derer sie sich ausprobieren, reflektieren und weiterentwickeln können. Sie übernehmen Verantwortung, treffen Entscheidungen als Gruppe und unterstützen sich gegenseitig. Nur so gelingt es, dass der Einzelne aus der Gemeinschaft der Trainingsgruppe profitiert, sich entwickelt und für den Sport wertvolle psychosoziale Ressourcen erwirbt (Muche et al., 2018).

Allgemeine Grundausbildung Teil 2 Konzentration

Die körperliche Vorbereitung auf die Anforderungen von Wettkämpfen allein reicht in Zeiten zunehmender Leistungsdichte durch die Optimierungen der Trainingsprozesse nicht mehr aus, damit Sportler ihr volles Leistungspotential entfalten können. Wie bereits im Kapitel „Persönlichkeitsentwicklung“ angesprochen, stellt die Konzentrationsfähigkeit im Gefüge der mentalen Stärke bzw. der psychosozialen Ressourcen einen wichtigen Aspekt der sportlichen Leistungsfähigkeit dar (Singer, 2000; Wulf, 2007; Weinberg & Gould, 2014; Mellalieu, 2014; Muraretu et al., 2018; Phylactou, 2019). Die Literatur bietet diverse Definitionen von Konzentration und Aufmerksamkeit an. Im folgenden Kapitel beschreibt die Konzentration das Vermögen des Sportlers, seine Aufmerksamkeit bewusst unter Ausblendung von Störfaktoren, auf die aufgabenrelevanten Informationen zu fokussieren (Mellalieu, 2014; Muche et al., 2018). Weiter unterschieden wird dabei zwischen einem externalen und internalen Aufmerksamkeitsfokus und ob dieser dabei weit oder eng gefasst ist (Wulf, 2007; Mellalieu, 2014; Muche et al., 2018). Leistungssportliche Relevanz haben nicht nur die Informationen, auf die die Aufmerksamkeit gerichtet wird, sondern auch die Art und Weise des Fokus. Beispielsweise hat sich gezeigt, dass ein externaler Fokus in Bezug auf die Leistungsabgabe und die Bewegungsqualität positiver einzuschätzen ist als ein internaler Fokus (MacPherson et al., 2008; Wulf & Dufek, 2009; Porter et al., 2010). Diese Aussagen bergen jedoch gewisse Kritik und sollten genauer betrachtet werden. Unterscheidet man zwischen fortgeschrittenen Sportlern mit hoher technischer Bewegungsqualität und Anfängern, zeigt sich, dass letztere konträr zu diesen Aussagen vor allem von einem internalen Fokus profitieren (Mellalieu, 2014). Ebenso verhält es sich mit technischen Korrekturen, bei denen Teilaspekte der Bewegung gezielt verbessert werden sollen. Ein internaler Fokus bewirkt die Verbesserung der Bewegungsqualität dieser in den Fokus genommenen Bewegungsphase (Macpherson et al., 2008; Schutts et al., 2017). Hier gilt es, der Zielstellung entsprechend zu differenzieren. Sollen technische Korrekturen in Bewegungsphasen des Gesamtbewegungsablaufs korrigiert werden, ist ein internaler und enger Fokus anzustreben. Geht es hingegen um die Gesamtbewegungsqualität und vor allem in Wettkampfsettings um die Leistung, so ist ein externaler Fokus anzustreben (Wulf & Dufek, 2009). 

Die Spezifik des Gewichthebens mit seinen Wettkampfanforderungen erfordert ein gesondertes Augenmerk auf die Konzentrationsfähigkeit als leistungslimitierenden Faktor. Betrachtet man die zeitlichen Anforderungen an den Sportler während des Wettkampfs, wird ersichtlich, dass hier ein enormer Zeitdruck vorherrscht. Der Sportler hat ein Zeitfenster von 60 Sekunden, innerhalb dessen er seinen Versuch zu beginnen hat (die Hantel muss innerhalb dieses Zeitraumes durch den Sportler angehoben werden). Es handelt sich beim Gewichtheben somit um eine Sportart, die sehr kurze und intensive Konzentrationsphasen erfordert. Die durchschnittliche Dauer der Konzentrationsphase vom Sportler beläuft sich dabei auf 10 Sekunden pro Versuch, wobei höhere Lasten diese Konzentrationsphasen verlängern (Muraretu et al., 2018). Gewichtheber müssen also im Wettkampf die Fähigkeit besitzen, innerhalb von 60 Sekunden die notwendige Konzentration willentlich herbeizuführen, den Fokus adäquat auszurichten sowie störende Einflüsse wie Publikumslärm, Emotionen und Sorgen auszublenden. Eine Untersuchung an ägyptischen Gewichthebern bekräftigt die Relevanz der Konzentrationsfähigkeit in Bezug auf die Leistungsfähigkeit im Wettkampf. Jene gaben an, dass für sie der „Focus“ zusammen mit Wettkampflust (männlich) und innerer Stärke (weiblich) eine der entscheidenden psychischen Ressourcen ist (Aly & Elemiri, 2014). Um den psychischen Anforderungen des Wettkampfs gerecht zu werden, verwenden Sportler nicht selten Techniken, die sie hierbei unterstützen (Phylactou, 2019).

Die Konzentrationsfähigkeit beschränkt sich jedoch nicht auf Wettkämpfe. Aufgrund der hohen Bewegungskomplexität, die mitunter von hohen bis maximalen Krafteinsätzen einhergeht, erfordert auch das Training ein hohes Maß an aufgabenrelevanter Konzentration (Muche et al., 2018).Es liegt nahe, die Konzentrationsfähigkeit durch gezielte Inszenierung von Situationen, in denen der Sportler unter erschwerten Bedingungen die Konzentration aufrechterhalten muss, zu fördern (Muche et al., 2018). Diese Simulationen vermögen in der Tat die Konzentrationsfähigkeit des Sportlers zu fördern, haben jedoch ihre Grenzen. So durchdacht sie auch sein mögen, es gelingt ihnen nicht, den Sportler in den emotionalen Zustand eines Wettkampfes zu versetzen und ihn somit auf diese Bedingungen vorzubereiten (Mellalieu, 2014). Ungeachtet dessen eignen sich solch inszenierte Situationen, um die Sportler auf die psychischen Anforderungen des Gewichthebens aufmerksam zu machen und die Konzentrationsfähigkeit unter den mitunter störenden Bedingungen der Trainingsgruppe grundsätzlich zu fördern. Darüber hinaus kann der Sportler hier lernen, wie er seinen Aufmerksamkeitsfokus anforderungsspezifisch wählen und beeinflussen kann. Hier übt auch der Trainer durch seine Hinweise einen entscheidenden Einfluss aus (Wulf & Dufek, 2009; Porter et al., 2010; Schutts et al., 2017). Die bereits angesprochene Zielstellung, technische Verbesserung einzelner Bewegungsphasen oder der harmonische Gesamtbewegungsablauf ist hierbei ausschlaggebend. So erfährt der Sportler, welchen Einfluss die Richtung seiner Aufmerksamkeit auf die Bewegungsqualität hat. Auf dieser Grundlage kann in weiteren Schritten an Strategien gearbeitet werden, die es dem Sportler auch unter den besonderen Anforderungen des Wettkampfs ermöglichen, die Aufmerksamkeit auf die entscheidenden Faktoren zu lenken.

Viele dieser Techniken richten sich nicht ausschließlich auf die Aufmerksamkeit des Sportlers, sondern schließen weitere emotionale und kognitive Prozesse mit ein. Dies können sogenannte „Wettkampfroutinen“, „Trigger-Words“ oder auch Mentales Training sein, wobei letzteres in seiner Eignung als Konzentrationstechnik bislang kaum Evidenz erfahren hat (Mellalieu, 2014). Vielmehr wird es im Bereich des motorischen Trainings auf imaginärer Basis in Form von Visualisierung praktiziert und hier in der nachfolgenden Entwicklungsetappe im gleichnamigen Kapitel behandelt. Wettkampfroutinen bezeichnen eine Abfolge von aufgabenrelevanten Handlungen und Gedanken, die ein Sportler vor der Ausführung einer Handlung durchführt (Moran, 2016). So soll es gelingen, die Aufmerksamkeit anhand einer bekannten Routine bewusst und ungeachtet von störenden Einflüssen auf die relevanten Aspekte der bevorstehenden Aufgabe zu lenken. Auch wenn die Studienlage bisher die Mechanismen von Wettkampfroutinen nicht eindeutig zu ergründen vermochte, sind Wettkampfroutinen gängige Praxis im Leistungssport (Cotterill, 2010; Mellalieu, 2014). Sie gründen auf der Annahme, dass der Sportler durch emotionale Erregung in Wettkampfsituationen Ablenkung erfährt. Sorgen und Ängste veranschlagen nachfolgend ein hohes Maß der kognitiven Ressourcen, die der aufgabenrelevanten Aufmerksamkeit nicht mehr voll zur Verfügung stehen (Lazarus, 2000; Anderson, 2005; Memmert & Furley, 2007). Diese Unsicherheit resultiert in einer verstärkten Fokussierung auf die Bewegungsausführung, um ihre Qualität zu gewährleisten. Da es sich hierbei jedoch um automatisierte Bewegungsabläufe handelt, werden sie durch die kognitive Einflussnahme in ihrer Qualität beeinträchtigt (Beilock & Gray, 2007; Mellalieu, 2014). Diesen, aus emotionaler Erregung erwachsenden und die Leistungsfähigkeit negativ beeinträchtigen Prozessen, soll durch Wettkampfroutinen entgegengewirkt werden. Die bekannte Abfolge von Handlungen und Gedanken unterstützt den Sportler dabei, seine Aufmerksamkeit trotz der störenden äußeren und inneren Einflüsse auf die aufgabenrelevanten Aspekte zu richten (Cotterill, 2010). Wettkampfroutinen können und sollten frühzeitig mit den Sportlern erarbeitet, angewendet und reflektiert werden. Die Sportler erfahren außerdem, dass sie bewussten Einfluss und Kontrolle auf die mitunter überwältigenden Emotionen eines Wettkampfs haben können. Dadurch sehen sie sich in ihrer Selbstwirksamkeit gesteigert (Lidor & Mayan, 2005). Die Entwicklung einer Wettkampfroutine kann und soll in diesem Rahmen nicht weiter erörtert werden (Cotterill, 2010). Hierfür sollen die an Olympiastützpunkten zu Verfügung stehenden Sportpsychologen hinzugezogen werden, um die Entwicklung einer solchen Routine auf Grundlage ihrer Fachexpertise zu entwickeln.

Ungeachtet dessen ist die Konzentrationsfähigkeit eine leistungsentscheidende psychische Ressource, deren Förderung keinesfalls außer Acht gelassen werden darf (Singer, 2000; Wulf, 2007; Weinberg & Gould, 2014; Mellalieu 2014; Muraretu et al. 2018; Phylactou 2019). Die Broschüre „Eine Frage der Qualität – Persönlichkeits- und Teamentwicklung – Förderung psychosozialer Ressourcen im Gewichtheben“ (Muche et al., 2018) beinhaltet auch zur psychischen Ressource „Konzentrationsfähigkeit“ diverse Übungen und Anleitungen, wie diese gefördert werden kann.

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