Anschlusstraining - Nahrungsergänzungsmittel im Sport

Das wohl umstrittenste Themengebiet der Sporternährung ist der Bereich der Nahrungsergänzungsmittel (NEM). NEM werden oral eingenommen und sollen Nähr- bzw. Mikronährstoffe und Wirkstoffe enthalten, die die Ernährung des Sportlers sinnvoll ergänzen. Unter Nähr- bzw. Mikronährstoffe und Wirkstoffe fallen in diesem Sinne Proteine, Kohlenhydrate, Fette, Vitamine, Mineralien, Kräuterextrakte, Aminosäuren und Antioxidantien, welche in Form von Tabletten, Kapseln, Gels, Flüssigkeiten, Pulvern und Riegeln verkauft werden. Des Weiteren soll die Einnahme von NEM die Leistungsfähigkeit, die Adaptation an das Training und die Regenerationsfähigkeit verbessern. Dementsprechend sollen sie Sportler/innen dabei helfen, das Training besser zu tolerieren und während intensiver Trainingsphasen verletzungsfrei bzw. gesund zu bleiben (Kreider, 2010). Die Problematik bei der Einnahme von NEM besteht bezüglich der Wirksamkeit der beworbenen Produkte, da diese in den meisten Fällen nicht wissenschaftlich fundiert ist. Daher sollten sich Trainer/innen und Sportler/innen vor der Einnahme folgende Fragen stellen: Ergibt die Theorie hinter dem Produkt Sinn? Existieren wissenschaftlich fundierte Studien zu dem Produkt? Stimmen die Ergebnisse der Studie mit dem propagierten Effekt des NEMs überein? Konnten die Ergebnisse der Studie in anderen Studien mit genügend Probanden wiederholt werden? Können alle Fragen bejaht werden, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Wirksamkeit des NEMs. Basierend auf den genannten Kriterien stellt Kreider (2010) Kategorien wie z.B. „sehr wahrscheinlich wirksam“, „möglicherweise wirksam“, „zu früh, um etwas zu sagen“ und „offensichtlich unwirksam“ auf. Hierbei fallen unter Kategorie 1 („sehr wahrscheinlich wirksam“) NEM, die dem Trainierenden dabei helfen den Kalorienbedarf zu decken und/oder durch Studien an einer repräsentativen Stichprobe für effektiv und sicher befunden wurden, also z.B. Koffein, sogenannte Masseaufbaupräparate, Proteinpulver und Kreatin. Vor allem Proteinpulver erfreut sich großer Beliebtheit bei Sportler/innen. Dabei besteht nach Nemet, Wolach, und Eliakim (2005) keine Notwendigkeit zur Einnahme, wenn genügend Proteine und Kohlenhydrate konsumiert werden. Kreatin ist das wohl effektivste NEM, welches frei verfügbar erworben werden und nach Studienlage nachweislich die Leistungsfähigkeit erhöhen kann (Buford, 2007). Kreatin wird vor allem für die Muskelkontraktion benötigt und stellt die Phosphorylgruppe zur Verfügung, welche dazu genutzt wird, um Adenosindiphosphat (ADP) in ATP umzuwandeln. Hierbei wird Kreatin vorwiegend während anaeroben und hoch-intensiven Belastungen benötigt, wie z.B. im Sprinten und Gewichtheben. Demnach kann Kreatin als NEM die Kreatinspeicher im Muskel erhöhen und die ATP-Resynthese beschleunigen (Buford, 2007; Nemet et al., 2005). Damit einher geht eine verbesserte Trainingsadaptation aufgrund erhöhter Trainingsqualität. 

Kategorie 2 („möglicherweise wirksam“) beinhaltet jene NEM, die in der Theorie wirksam zu sein scheinen, aber nicht in einer ausreichenden Anzahl an Studien getestet wurden. Darunter fallen essentielle und verzweigtkettige Aminosäuren in Pulver- oder Kapselform, sowie Grünteeextrakt und HMB (3-Hydroxy-3-Methylbuttersäure), um nur einige zu nennen. In der Theorie sollen essentielle Aminosäuren anabole Prozesse im Körper stimulieren, um mehr fettfreie Masse aufbauen zu können. Verzweigtkettige Aminosäuren sollen hingegen den Proteinkatabolismus minimieren und die Regeneration nach dem Training beschleunigen (Nemet et al., 2005). Sowohl essentielle als auch verzweigtkettige Aminosäuren werden als sehr wirksam propagiert, wobei die Studienlage wenig Aufschluss über ihre Wirksamkeit gibt. Auch hier wird explizit darauf hingewiesen, dass eine den Kalorienbedarf deckende Ernährung mit ausreichend Proteinen und Mikronährstoffen die Einnahme von Aminosäuren überflüssig macht. Weitere Informationen zu den genannten Kategorien sowie zu der Wirksamkeit von bestimmten Produkten finden sich in der Literatur. 

Eine eigene Kategorie, auf die in diesem Abschnitt eingegangen werden soll, bilden Vitaminpräparate. Vitamine dienen dem Körper zur Regulierung des Stoffwechsels, neuraler und zellulärer Prozesse und sind bei der Gewinnung von Energie im Körper beteiligt. Hierbei werden Vitamine in fettlösliche (A, D, E und K) und wasserlösliche (B und C) klassifiziert (McArdle, 2001). Im Sport können sie dabei helfen, aufgrund ihrer antioxidativen Wirkung hohe Trainingsintensitäten zu tolerieren und das Immunsystem zu kräftigen. Obwohl Vitamine nachweislich einen Effekt auf die Gesundheit haben, besteht hinsichtlich der Wirksamkeit von Vitaminpräparaten auf die Verbesserung der Leistungsfähigkeit keine klare Evidenz, wenn Sportler/innen eine den Bedarf deckende Ernährung aufweisen. Daher sind nach Kreider (2010) niedrig dosierte Multivitaminpräparate für Sportler/innen zu empfehlen, die es nicht schaffen, ihren Kalorienbedarf mit einer breiten Palette an Nahrungsmitteln abzudecken.

Die große Auswahl an NEM und die wissenschaftliche Inkonsistenz bezüglich der Wirksamkeit machen es schwierig eine klare Aussage für NEM im Allgemeinen zu treffen. Die Vorteile von NEM bestehen in der Praktikabilität, der präventiven Wirkung in Bezug auf Nährstoffdefizite und in manchen Fällen in einem Placebo-Effekt. Jedoch macht eine sportgerechte Ernährung den Großteil der NEM hinfällig. Lediglich Vitaminpräparate, Proteinpulver und Kreatin erweisen sich als sicher und wissenschaftlich fundiert, wenn der Trainierende Probleme hat, genügend Kalorien zu sich zu nehmen und/oder Phasen intensiver Trainingsbelastung durchläuft, was eine Nahrungsergänzung durch die eben genannten Mittel notwendig macht (Buford, 2007; Nemet et al., 2005). 

An dieser Stelle soll explizit darauf hingewiesen werden, dass NEM im langfristigen Leistungsaufbau als eine Leistungsreserve betrachtet werden sollten. Das bedeutet, dass NEM im Kinder- und Jugendbereich sowie grundsätzlich keine sportgerechte Ernährung ersetzen können. Trainer/innen sollten ihre Sportler/innen sachlich über die Vor- und Nachteile aufklären, ohne Verbote zu erteilen.

Die Ernährung im Allgemeinen ist neben ausreichend Schlaf ein zentraler Faktor im Sport und sollte dementsprechend angemessene Bedeutung erhalten, um die sportliche Leistung zu maximieren. Trainer/innen sind aufgrund ihres Unwissens nicht von der Pflicht befreit, Sportler/innen über die Vorteile einer sportgerechten Ernährung aufzuklären.

Downloads zu diesem Thema